Mit: Kiril Ass – Alexander Brodsky Studio, Ayzit Bostan – Künstlerin und Designerin, Emanuel Christ – Christ & Gantenbein, Johannes Ernst – Steidle Architekten, Stefan F. Höglmaier – Euroboden Gruppe, Freek Persyn – Büros 51N4E, Patrik Schumacher – Zaha Hadid Architects, Jörn Walter – ehem. Oberbaudirektor Hamburg, Joanna Warsza – Künstlerin, Liam Young – Tomorrow’s Thoughts Today
Alexander Brodsky Studio, Moskau
Das gegenwärtige Bild von Russland ist fast durchweg dunkel, bedrohlich, zumindest undurchsichtig. Spionage, Fake News, Aggression, Wodka. Ist das wirklich so einseitig? Der Architekt und Architekturtheoretiker Kiril Ass skizziert von innen heraus ein kritisches Bild des Landes und insbesondere der Stadtentwicklung Moskaus seit 1989: Vom Turbokapitalismus der 1990er, der Phase der Liberalisierung bis zur aktuellen Hinwendung zum Nationalen und teils widersprüchlichen Ideen von alter Größe – Ideen von Zukunft, die sich doch ausschließlich um die Vergangenheit drehen.
Als Architekt arbeitet Ass im Büro von Alexander Brodsky. Er lehrt an der unabhängigen „Moscow School of Architecture“. Mit seiner Frau Nadya Korbut entwirft er eindringliche Ausstellungen u. a. für das Garage Museum of Contemporary Art oder das Jüdische Museum.
Künstlerin und Designerin, München
„Mich interessiert die Essenz von Dingen. Und Bands. Und Popkultur.“ Die Designerin und Künstlerin mit türkischen Wurzeln bewegt sich seit vielen Jahren an der Schnittstelle zwischen Design und Kunst, Ausstellungen und Modeindustrie. Neue Kollektionen präsentiert sie nicht auf Modenschauen, sondern als Performances und Installationen in Galerien und Museen, wie dem MMK Frankfurt oder dem Goethe-Institut Tokyo. Bei ihren textilen Entwürfen geht es um Qualität statt Masse, das nervöse Kaufen bedient sie nicht: Pro Jahr erscheinen zwei Taschen- und eine Kleiderkollektion. Bostan wurde mit dem IF Product Design Award und dem DDC Silver Award Product Design ausgezeichnet.
© Fabian Frinzel (Portraitfoto)
„Wir machen Architektur so, wie man sie immer gemacht hat, (…) allerdings in einer zeitgenössischen Form.“ Emanuel Christ und Christoph Gantenbein suchen nach dem Prinzipiellen und Typologischen, stellen die grundsätzliche Fragen nach Raum, Körper, Materie. Im letzten Jahr haben sie mit gleich zwei Museumserweiterungen begeistert, dem Kunstmuseum in Basel sowie dem grandiosen Landesmuseum in Zürich. Gegenwärtig arbeiten sie an der Erweiterung des Wallraf-Richartz-Museums in Köln sowie einer Vielzahl weiterer Projekte. Die alten Schweizer Heroen, Herzog & de Meuron, Peter Märkli etc. – alles auch Lehrer von Christ & Gantenbein – treten langsam ab. Die neuen, vielfach ausgezeichnet, stehen bereit.
© Markus Jans (Porträtfoto)
Seit 2005, nach dem plötzlichen Tod von Otto Steidle, leitet Johannes Ernst das Büro Steidle Architekten gemeinsam mit Martin Klein und Johann Spengler. Es ist eines der großen Münchner Architekturbüros mit Fokus vor allem auf Wohn- und Bürogebäude sowie städtebauliche Rahmenplanungen. Seit 2010 beschäftigt sich Ernst mit dem Areal „Rund um den Ostbahnhof“ – gelegentlich wird er auch als „Mastermind“ des Werksviertels bezeichnet. Er möchte hier ein Stück Großstadt bauen, den Industriecharme und Teile der historischen Pfanni-Gebäude erhalten. Geprägt hat er dieses Viertel auch mit eigenen Gebäuden, wie der Medienbrücke und dem „Urban Mother Fucker“ Werk 3, so Ernst’ eigene Worte.
Stefan F. Höglmaier ist Geschäftsführer der Euroboden Gruppe, die der 42-Jährige im Alter von 24 Jahren gründete. Er ist einer der wenigen Bauträger, die mit guter Architektur und nicht allein mit Bruttogeschossfläche Geld verdienen. Wenn Höglmaier von einer Idee überzeugt ist, kämpft er, auch auf juristischem Weg, länger als die meisten anderen für ihre Umsetzung. Dafür arbeitet er mit einigen der Besten der Branche zusammen, David Adjaye, David Chipperfield, Peter Haimerl oder Muck Petzet. Natürlich wohnt er auch privat spektakulär, in einem umgebauten Hochbunker mit eigenem Kunstraum im Erdgeschoss.
© Julian Baumann (Porträtfoto)
Freek Persyn ist Mitbegründer des Büros 51N4E, das er gemeinsam mit Johan Anrys führt. Die Projekte reichen vom architektonischen Maßstab bis zu Visionen für städtische Regionen wie Bordeaux, Brüssel oder Istanbul. Typisch für 51N4E ist, dass sie nicht einfach nur Häuser bauen, sondern weit über die ursprünglich gestellte Aufgabe hinaus wirken. Mit dem TID Tower in Tirana, Albanien, haben sie zum Beispiel nicht nur einen neuen Gebäudekomplex entworfen, sondern zugleich landestypische Bautraditionen wiederbelebt – ein Wissen, das aufgrund des Umbruchs nach dem Zerfall des Ostblocks weitestgehend verloren gegangen war. Natürlich wurde auch 51N4E vielfach ausgezeichnet.
Seit 1988 ist Patrik Schumacher Mitarbeiter im Büro von Zaha Hadid, ab 2002 Partner. Die Pritzker-Preisträgerin war das Gesicht des Büros, die Künstlerin, er das Gehirn. Seit ihrem viel zu frühen Tod im April 2016 führt er das Büro allein weiter. Schumacher ist Co-Autor vieler spektakulärer Projekte, wie dem Kunstmuseum MAXXI in Rom, dem Zentralgebäude des BMW-Werks in Leipzig oder dem Opernhaus in Guangzhou. Zusätzlich zur Architektur wurde er in Philosophie promoviert, hat an zahlreichen Universitäten, wie Yale oder Harvard, unterrichtet. Er hat keine Angst anzuecken. Als obsessiver Denker prägte er den Begriff „Parametrismus“, veröffentlichte 2010 und 2012 in sein theoretisches Manifest „Die Autopoiesis der Architektur“.
© Matthew Joseph (Porträtfoto)
ehem. Oberbaudirektor der Freien
und Hansestadt Hamburg
Sechs verschiedene Senate hat Jörn Walter, seit 1999 Oberbaudirektor der Freien und Hansestadt Hamburg, erlebt. Im Fokus seines Wirkens standen u. a. der „Sprung über die Elbe“, Anlass für die IBA Hamburg, sowie die Planung der Hafencity einschließlich Elbphilharmonie, für die er sich entschieden einsetzte. Aus geplanten drei Jahren Bauzeit wurden zehn, aus 75,3 Millionen Euro Baukosten 865,65 Millionen – doch im Januar wurde der spektakuläre Neubau auf dem Sockel eines ehemaligen Kaispeichers mit Bundeskanzlerin und Bundespräsident grandios eröffnet. Die Kritiker sind verstummt. Das Gebäude gilt als neues Wahrzeichen der Hansestadt. Traut sich München mit seinem neuen Konzertsaal ein vergleichbares visionäres Projekt zu?
Berlin, Warschau
2018 wird sie „Public Art Munich“, das internationale Großprojekt für Kunst im öffentlichen Raum in München, kuratieren. Es geht um Meinungsfreiheit, Transparenz und Überwachung, inszeniert als Kongresse im Freien mit Bürgerorchestern, temporären Installationen oder architektonische Pop-Ups. Architektur und öffentlicher Raum sind ihre Schwerpunkte. Zuvor konzipierte die in Warschau geborene Kuratorin u. a. das öffentliche Programm der Manifesta 10 in St. Petersburg sowie „Kamikaze Loggia“, den Georgischen Pavillon auf der 55. Biennale in Venedig, bei dem sie mit informeller Architektur auf die gesetzlose Zeit nach dem Zerfall der Sowjetunion anspielte.
Tomorrow’s Thoughts Today,
London / Los Angeles
Jenseits von Star Trek: Liam Young ist Architekt. Mit seinem Londoner Think Tank Tomorrow’s Thoughts Today entwickelt er Szenarien für unsere urbane Zukunft – fantastische, hybride Welten, für die er aktuelle technologische Entwicklungen ausreizt, weiterdenkt, die Grenzen zwischen natürlich und künstlich, analog und digital verwischt. Ausgangspunkt dafür sind seine Reisen ans Ende der Welt, die er mit seinem nomadischen Forschungsstudio Unknown Fields Division unternimmt. In Tchernobyl, Area 51 oder auf dem zugefrorenen Arktische Meer sucht er nach „Weak Signals“, nach Momenten, in denen sich unsere Gegenwart verdichtet, einen Blick in die Zukunft eröffnet. BBC, NBC, Wired, Time Magazine etc. sind begeistert. Blueprint magazine zählt Liam zu den 25 Personen, welche die Architektur verändern werden.
Technikum
Grafinger Straße 6
81671 München
Hearthouse
Lenbachplatz 2
80333 München